Jan Bejšovec

Die textilen Bilder von Jan Bejšovec thematisieren aktuelle politische Konflikte. Im Fokus steht die neonazistische Mordserie des NSU, deren wirkliches Ausmaß und die Verstrickung staatlicher Stellen wie Geheimdienste und Polizeibehörden immer noch vertuscht wird.
Andere Bilder befassen sich mit den weltweit erstarkenden religiösen oder nationalistischen Bewegungen. Waren in den 70er Jahren sog. Befreiungsbewegungen noch mit linken Positionen verbunden, so sind es heute in den Nachfolgestaaten des Ostblocks oder im „Arabischen Frühling“ vor allem rechts-konservative Strömungen, die den Zeitgeist bestimmen.
Der Westen unterstützt diesen Trend mit dem neoimperialistischen Export von Propaganda- werten wie FREIHEIT, DEMOKRATIE oder MENSCHENRECHTEN, hinter denen sich nur noch mehr Ausbeutung verbirgt.
Wenn das Recht Mensch zu sein nur monetären Charakter hat, erhält jede (Ab-) Art von Ideologie mehr Sinn und Berechtigung.
Die Bildinhalte werden durch verschiedene Gesprächsrunden und Filmabende aufgenommen.
Durch die ungewöhnliche Verwendung textiler Techniken wie Handstickerei oder Applikation authentischer Stoffe erzeugen die Bilder eine besondere Ausdruckskraft. Der benutzte Stoff wird zu einer zweiten Bedeutungsebene, die das Motiv verstärkt: das Porträt von Uwe Böhnhardt wurde z.B. auf dem sog. „Sumpftarnmuster“ des ehem. Bundesgrenzschutzes (BGS) aufgestickt. Dieses Tarnmuster wurde direkt von der Wehrmacht übernommen und ist unter Neonazis sehr beliebt.
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Im Rahmen der antifaschistischen und antimilitaristischen Arbeit des Organ kritischer Kunst (OKK) werden künstlerische Positionen präsentiert die sich mit Problematiken befassen, die sich aus diesem Kontext ergeben. So auch die Arbeit von Jan Bejsovec und seinem Label ‚Konfliktstoff‘, das wie der Name schon sagt sich mit brisanten politischen Themen beschäftigt.
Bei der Untersuchung des Rechtsterrorismus stellen sich zwei fundamentale Fragen, nämlich die Frage zur Kontinuität und Beständigkeit einer militanten rechten Szene seit der NS Zeit und die Frage der Ungleichmäßigkeit mit der Terrorismusbekämpfung (auch) in der BRD behandelt wird.
Während für den Verfassungsschutz im linken Spektrum keine Mühe gescheut und kein Aufwand zu groß scheint, wenn man sich die Akribie vor Augen hält mit der die Beobachtungen geführt werden. Man kann sogar personelle Ressourcen binden um gewählte Volksvertreter zu überwachen, mit dem Hinweis auf mögliche verfassungsfeindliche Aktivitäten. Drängt sich hingegen, bei der Beobachtung der Verhältnisse um den Rechtsterrorismus der Verdacht auf, dass der Verfassungsschutz im Rechten Spektrum nicht nur seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, sondern auch noch Netzwerke an Hilfestellern und beamteten Mittätern in den zuständigen Behörden existieren.
Das OKK sieht hierin einen der größten politischen Skandale der BRD, welcher parallel zur aktuellen Tendenz der Erstarkung der extremen Rechten in Europa, und ihrer Vernetzung untereinander, eine gefährliche Mischung bildet die den Nährboden für Nationalismus und Faschismus im großen Stil bietet. Abseits jeglichen Geschichtsbewusstseins werden alte Ressentiments und intrinsischer Rassismus zu Tage gefördert welche(r) schon totgesagt wurden.
Faschismus kommt nicht von ungefähr, er ist verankert im tiefgreifenden Rassismus der hegemonialen und hierarchischen europäischen Gesellschaften. Dieses Projekt mit seinem diskursiven Rahmenprogramm ist als der bescheidene Beitrag des OKK zu sehen, die Diskussion über die Verflechtung von öffentlichen Stellen und faschistischen Organisationen in Gang zu bringen.
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PROGRAMM
„Menschen – Rechte“ Konfliktstoff im OKK
26.04.13 (19:00)
Vernissage
28.04.13 (19:00)
Filmabend „The Battle of Algiers“ mit VoKü
30.04.13 (19:00)
Vortrag „Roter Wedding“, Widerständigkeit im Bezirk Wedding während der NS-Zeit, OKK-Recherche
03.05.13 (19:00)
Künstlergespräch Jan Bejšovec mit Martin Bayer, Kurator und Blogger von www.wartist.org
05.05.13 (19:00)
Filmabend “Der Rebell. Odfried Hepp: Neonazi, Terrorist, Aussteiger„
10.05.13 (19:00)
Gespräch mit Oberst a.D. Gotthold Schramm zur NS-Vergangenheit westdeutscher Geheimdienste
okk/raum29
Prinzenallee 29 13359 Berlin
Jan Bejšovec  www.konfliktstoff.org
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“Freedom Tower”
60×90 cm
– Handstickerei auf Keilrahmen 2007
Die Weltmacht USA hat es nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr nötig, ihre hegemonialen Bestrebungen zu verschleiern. Der Export von „Demokratie & Freiheit“
ist deshalb nur noch ein schwaches propagandistisches Feigenblatt. Anstelle des auf Ground Zero geplanten „Freedom Towers“ steht im Bewusstsein der wirklich demokratisch gesinnten Welt das Gegenteil, der Wachturm des Gefangenenlagers Guantanamo. KONFLIKTSTOFF ist hier das US-amerikanische Woodland-Tarnmuster als Grundlage für die Handstickerei.
“Azadi (Freiheit)”
70 x 100 cm, Handstickerei und Applikationen auf Keilrahmen,
basierend auf einer Zeichnung von Bilge Emiroglu, 2012
Die Freiheit Afghanistans sind die Berge, in denen noch jeder Eroberer gescheitert ist.
Das paschtunische Wort für Freiheit „Azadi“ ist mit arabischen Schriftzeichen in die Landschaft aus militärischen Tarnstoffen eingeschrieben.
“Tyrannenmord”
40 x 60 cm, Applikationen und Handstickerei auf Keilrahmen, 2011
Der schicksalhafte Tod des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi ereilte den Oberst am 20.10.11 wie eine scheinbar gerechte Strafe in seiner Geburtsstadt. Die nur durch NATO-Hilfe erfolgreiche Widerstandsbewegung rächte die Verbrechen Gaddafis in Form eines Lynchmobs. Den schockierten Gesichtsausdruck über sein nahes Ende verewigten im Blutrausch zitternde Handykameras.
KONFLIKTSTOFF zitiert den medialen Tyrannenmord in einer Collage aus roten Textilapplikationen und Handstickerei. Die Bedeutungsebenen der verwendeten Stoffe reichen vom Tarnstoff des Bundesgrenzschutzes, dessen Tarnmuster in sehr ähnlicher Form von der libyschen Armee verwendet wird, aber schweizerisches Camouflage, das für den Konflikt des Gaddafi-Clans mit der Schweiz steht, bis zu orientalischen Stickereien und Spiegelapplikationen, die auf den arabisch geprägten Kulturraum Libyens verweisen.
„Reise nach Jerusalem“
100x294cm Textilapplikationen, drehbare Installation 2009
“Dr. Goebbels”
30 x 40 cm, Handstickerei und Applikationen auf Keilrahmen, 2012
“Was uns betrifft, so haben wir die Brücken hinter uns abgebrochen… Wir sind zum Letzten gezwungen und darum zum Letzten entschlossen… Wir werden als die größten Staatsmänner in die Geschichte eingehen oder als ihre größten Verbrecher.”
Goebbels in DAS REICH vom 14.11.1943
“Horst Mahler”
40 x 50 cm, Handstickerei und Applikationen auf Keilrahmen, 2012
Horst Mahler ist wohl eine der berüchtigsten politischen Akteure der deutschen Nachkriegsgeschichte. Seine Wandlung vom linksradikalen Anwalt und Mitbegründer der RAF zu einer der zentralen Figuren der Neuen Rechten ist beispiellos.
“Heute ist nicht alle Tage…”
110 x 35 cm, Handstickerei, Applikationen auf Keilrahmen 2012
Das Bild thematisiert die skandalöse Verstrickung der bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden in die neonazistische Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU). Das Bundeskriminalamt (BKA) konnte oder wollte über fast ein Jahrzehnt die Morde an zumeist türkischstämmigen Deutschen nicht stoppen.
Der Konfliktstoff besteht in der Hintergrundebene aus Einkaufsbeuteln von türkisch-deutschen Unternehmen, die das Hauptziel der Neonazis waren. Keilförmig schneidet sich ein Werbebeutel des Integrationsbeauftragten der Bundesregierung ein und symbolisiert das Versagen der gesamten deutschen Gesellschaft bei der Aufklärung dieser Verbrechen, die über Jahre als „Dönermorde“ bezeichnet wurden, da die Täter unter den Zuwanderern selbst vermutet worden waren. Das Porträt von Uwe Böhnhardt, dem vermutlich aggressivsten Mitglied des NSU, ist auf dem sog. „Sumpftarnmuster“ des ehemaligen Bundesgrenzschutzes (BGS) aufgestickt. Dieses Tarnmuster wurde direkt von der Wehrmacht übernommen und ist unter Neonazis sehr beliebt. Die applizierte Comicfigur ‚The Pink Panther‘ verweist auf die zynische Verwendung der Trickfilme durch den NSU, um die Morde propagandistisch aufzubereiten. Der Schlußsatz des Pink Panthers „Heute ist nicht alle Tage, ich komme wieder keine Frage!“ war und ist dabei als klare Drohung zu verstehen.
“Beate”
30 x 40 cm, Handstickerei und Applikationen auf Keilrahmen, 2012
Beate Zschäpe ist als Angehörige des NSU in die neonazistische Mordserie an Deutschen anderer Herkunft verstrickt. Sie schweigt bislang, zu den Motiven der Gruppe aber auch zu den Verbindungen zu bundesdeutschen Geheimdiensten. Diese Verbrechen und das Versagen des Staates sind der grösste gesellschaftspolitische Skandal der Berliner Republik und noch völlig unaufgeklärt.
„Kein Kuß Ein Schuß„
50×110 cm Textilapplikation auf Keilrahmen 2006
“Ein Schuß Kein Kuß„
50×110 cm Textilapplikation auf Keilrahmen 2006
“Totaler Theoretiker”
120 x 30 cm, 45 x 30 cm, 25 x 30 cm, Handstickerei, Applikationen auf Keilrahmen 2011
Das Bild thematisiert die umstrittene „Totalitarismustheorie“, nach der in Wesen und Wirkung alle totalitären politischen Systeme gleich sind. Diese von seriösen Historikern lange widerlegte Theorie wird in Deutschland nur noch von den Epigonen des Antikommunismus als Propaganda verwendet. Das „Gesicht“ dieser noch tief im Kalten Krieg verwurzelten Gruppe ist Hubertus Knabe, der als Direktor die Gedenkstätte eines ehemaligen Haftkrankenhauses der Staatssicherheit der DDR mit unwissenschaftlichen Mitteln zur politischen Einflussnahme missbraucht.
Das Bild zeigt in Anlehnung an Mattheuers „Jahrhundertschritt“ eine Figur, welche mit dem rechten Arm den Hitlergruß, mit dem linken Arm den Gruß des Rotfrontkämpferbundes ausführt. KONFLIKTSTOFF unterlegt die Arme mit „faschistischem“ (Wehrmachtscamouflage) und „kommunistischen“ (NVA-Camouflage) Tarnstoff. Der goldene Heiligenschein verweist auf die rechthaberische Selbstgewissheit der „totalen Theoretiker“.
“Kalter Krieg”
18 x 24 cm, Kokarden, Spiegel auf Keilrahmen, 2012
“Reichsstadtpalast”
120 x 65 cm, Handstickerei, Applikationen auf Keilrahmen, 2011
Der “Reichsstadtpalast” vereinigt als Motiv die drei ideologischen Hauptgebäude, welche in Berlin, der Hauptstadt von Preußen, dem Deutschen Reich und der Deutschen Demokratischen Republik, abgerissen wurden:
Neue Reichskanzlei (1938-1953 Abriß durch die Sowjetische Stadtverwaltung)
Berliner Stadtschloß (1443-1950 Abriß durch die SED der DDR)
Palast der Republik (1973-2008 Abriß durch den Bundestag der BRD)
Alle drei Gebäude wurden mit dem Ziel abgerissen, keine baulichen Artefakte einer als negativ empfundenen Zeitgeschichte zu hinterlassen. Die Hoffnung, Geschichte im nachhinein zu bereinigen, hat sich allerdings nicht erfüllt, denn gerade durch die Zerstörung wurden alle drei Gebäude mythisch verklärt. Der “Reichsstadtpalast” mahnt die Nachwelt, Sachzeugen nicht zu zerstören, denn nur sie stellen Zeitgeschichte objektiv dar.
“Guerra”
18 x 24 cm, Handstickerei, Applikationen auf Keilrahmen, 2012
“erheit-ter-m-ich”
18 x 24 cm, MfS-Ärmelband, Applikationen auf Keilrahmen, 2012
“Raubvogel”
110×130 cm, Textilapplikation auf Keilrahmen 2006
Die Jahre nach dem Umbruch in der ehemaligen DDR wurden von vielen Ostdeutschen nicht als Vereinigung zweier deutscher Staaten, sondern als Vereinahmung durch die
BRD empfunden. Obwohl beide Staaten aus alliierten Besatzungszonen entstanden, fühlte sich die BRD nach 1989 als Sieger der Geschichte. Die Freude über die deutsche Einheit wurde deshalb bald durch die Wut über das selbstgefällige Auftreten westdeutscher Funktionsträger verdrängt.
Der KONFLIKTSTOFF des Bundesadlers besteht aus drei verschiedenen westdeutschen Tarnstoffen, das Adlerauge aus einer Kokarde. Das zerrissene Staatsemblem der DDR stammt von einer Fahne.
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